Die beste Grundlage: Ein gemeinsames Beurteilungssystem

Nachdem ich bereits auf die nötigen Vorbereitungen für Ihre Gehaltsverhandlung eingegangen bin, möchte ich nun das Prinzip erklären, durch das ein konstruktives Verhandeln auf Augenhöhe möglich wird.

Wie Gehaltswünsche und -angebote entstehen

Egal, ob es den Verhandlungspartnern bewusst ist oder nicht, jeder verhandelt immer innerhalb eines eigenen Beurteilungssystems. Dabei handelt es sich um ein System von diversen Kriterien, anhand derer man zu den eigenen Vorschlägen hinsichtlich eines angemessenen Gehaltes kommt und die Angebote der anderen Seite beurteilt. Solche Beurteilungskriterien können sehr verschiedener Natur sein und hängen stark von den jeweiligen Umständen ab. Hier ein paar Beispiele dafür:

Auf der Seite des Kandidaten kann der Bezugsrahmen zum einen rein persönliche Faktoren wie beispielsweise den Geldbedarf der Familie oder den Wunsch beinhalten, mehr als im aktuellen Arbeitsverhältnis zu verdienen. Üblich ist es natürlich auch, die Situation anderer mit vergleichbaren Qualifikationen, in ähnlichen Positionen, in verwandten Branchen, am selben Ort u. Ä. zur Bewertung heranzuziehen. Letztere wären Beispiele für den Bezug auf relativ neutrale Kriterien.
Beim einstellenden Manager kann es ebenso Kriterien geben, die rein persönlichen Ursprungs sind. Ein Beispiel dafür wäre, durch moderate Gehaltsabschlüsse ein bestimmtes betriebliches Kostensenkungsziel im Geschäftsjahr zu erreichen, und so die Höhe der eigenen Erfolgsbeteiligung zu maximieren. Selbstverständlich gibt es aber auch auf der Seite des Arbeitgebers neutrale Kriterien. Hier wären beispielsweise dieselben naheliegend, die ich bereits oben für den Kandidaten genannt habe. Darüber hinaus könnte man die Bindung an einen Tarifvertrag nennen usw.

Wenn Gehaltsverhandlungen wenig konstruktiv und emotional unerfreulich verlaufen, liegt dies in der Regel daran, dass mindestens einem der Beteiligten die zugrunde liegenden Beurteilungssysteme nicht ausreichend bekannt sind oder von ihm nicht akzeptiert werden. Bei den genannten Beispielen wäre es mehr als naheliegend, dass der Arbeitgeber den Geldbedarf der Familie des Kandidaten nicht unbedingt als relevantes Kriterium anerkennen wird, wohingegen der Bewerber kaum bereit wäre, auf die Einsparziele des Unternehmens Rücksicht zu nehmen. Um einer solchen Situation später vorzubeugen, können Sie schon vorher etwas tun:

Bis zu Beginn der Gehaltsverhandlung werde ich prüfen, ob mein eigenes Beurteilungssystem weitestgehend auf neutralen Kriterien beruht, und so die Wahrscheinlichkeit seiner Akzeptanz durch die andere Seite erhöhen.

Schaffen Sie eine gemeinsame Grundlage

Wenn man weiß, wie Gehaltswünsche und -angebote entstehen, liegt auch die Lösung der typischen Probleme beim Verhandeln derselben auf der Hand. Bevor man überhaupt mit der eigentlichen Verhandlung beginnen kann, muss man zu allererst ein gemeinsames Beurteilungssystem dafür vereinbaren. Am besten klappt das, wenn man hierzu neutrale Beurteilungskriterien heranzieht, denn in diesem Fall ist die Zustimmung aller Beteiligten besonders wahrscheinlich. Rein persönliche Faktoren müssen dabei aber nicht unbedingt ausgeschlossen sein, solange alle Seiten zu deren Berücksichtigung bereit sind.

Ganz wichtig ist, dass die anzuwendenden Beurteilungskriterien wirklich zwischen allen Beteiligten vereinbart worden sind, bevor die einzelnen Argumente dazu verhandelt werden. In den meisten Fällen sollte das relativ einfach sein, wenn Sie sich darauf vorbereitet haben und es zu Beginn gezielt ansprechen. Das machen Sie, indem Sie auf die Frage nach Ihren Gehaltsvorstellungen nicht sofort mit Informationen dazu antworten, sondern zuerst ein Bezugssystem vorschlagen, auf dessen Grundlage Sie Ihre Argumente begründen würden. Fragen Sie die andere Seite dann, ob sie Ihre Ansicht teilt, oder ob sie Einwände, Erweiterungen oder Änderungen einbringen möchte.

Es ist überhaupt kein Problem, wenn sich nicht sofort eine Einigung ergibt und Sie die unterschiedlichen Ausgangspunkte diskutieren müssen. Wichtig ist aber, dass diese Diskussion zur Abstimmung des Beurteilungssystems geführt wird und noch keine eigentlichen Argumente hinsichtlich der Gehaltshöhe verhandelt werden. Solange die Grundlage dafür nicht steht, gäbe es dabei nämlich nur die bereits erwähnten Probleme. Die Zeit zur Schaffung einer vernünftigen Gesprächsbasis ist aber gut investiert, denn wenn diese einmal gefunden ist, wird die Abwägung der einzelnen Argumente nicht nur einfacher, sondern geht auch viel schneller. Diesen Prozess beschreibe ich auf der folgenden Seite gleich noch etwas näher.

Meinen Tipp für die allererste Phase einer Gehaltsverhandlung kann ich damit folgendermaßen auf den Punkt bringen:

Bevor ich in meiner Gehaltsverhandlung die einzelnen Argumente mit meinem Gegenüber diskutiere, werde ich zuerst auf die Festlegung eines gemeinsamen Beurteilungssystems achten.

Plan B: Wenn Sie keine gemeinsame Grundlage finden können

Meiner Erfahrung nach kommt dies nur sehr selten vor. Aber nehmen wir einmal an, dass Sie sich mit Ihrem Gegenüber tatsächlich trotz intensiver Bemühungen nicht auf ein gemeinsames Bezugssystem zu Beginn der Gehaltsverhandlung einigen können. Auch in diesem Fall ist noch nicht alles verloren, denn unter Umständen liegt Ihre Mindesterwartung unter dem maximalen Zugeständnis der anderen Seite – aus welchen Gründen auch immer. Eine solche Verhandlung läuft dann natürlich eher nach einem orientalischem Prinzip. Gerade in diesem Fall ist es sehr wichtig, dass Sie Ihre persönliche Mindestforderung ganz genau kennen und wissen, wann Sie Schluss machen und Ihre Bewerbung zurückziehen müssen.

Vielleicht Sind Sie ja bei dieser Art des Verhandelns ganz geschickt und erzielen ein für Sie erfreuliches Ergebnis. Ich möchte Ihnen trotzdem ans Herz legen, in einem solchen Fall mit einer Zusage vorsichtig zu sein. Wenn Sie mit Ihrem potenziellen neuen Chef bereits an dieser Stelle keine inhaltliche Übereinkunft erzielen können, wie wollen Sie dann mit ihm später täglich konstruktiv zusammenarbeiten?

Unkritisch ist es dagegen beispielsweise bei Vorverhandlungen, die durch Dritte (Headhunter, Agenturen etc.) geführt werden. Diese interessieren sich in erster Linie nur dafür, inwieweit Ihre Vorstellungen mit den Vorgaben ihres Kunden später wahrscheinlich in Einklang gebracht werden können. Dafür müssen Sie lediglich Ihre untere Grenze genau kennen. Auch in diesem Fall müssen Sie diese nicht gleich kommunizieren, sondern können mit einer relativ hohen Einstiegsforderung beginnen. Der Headhunter ist oft selber an einem hohen Abschluss interessiert, da sich seine Provision daran bemisst. Aus diesem Grund wird er wenn nötig zu Beginn normalerweise nur versuchen, Sie an die obere Grenze des von seinem Kunden vorgegebenen Bereiches herunterzuhandeln. Liegt diese noch nicht unter Ihrem tatsächlichen Minimum, ist an dieser Stelle nicht mehr zu tun, denn Sie müssen sich ja zu diesem Zeitpunkt noch nicht entscheiden.