Vorstellungsgespräch: Die Frage nach Ihren Schwächen

Im Rahmen Ihres Bewerbungsgespräches kann es Ihnen passieren, dass der einstellende Leiter Sie auch nach Ihren persönlichen Schwächen fragt. Wie Sie darauf konkret reagieren sollten, erfahren Sie in diesem Beitrag. Er steht ebenso als Audio-Version zur Verfügung.

Eine „unhöfliche“ Frage

Bevor ich zu den eigentlichen Tipps komme, möchte ich zuerst die soziale Situation in diesem Fall näher erläutern. Ganz ehrlich halte ich eine solche Frage an den Kandidaten auf alle Fälle für unprofessionell und in den meisten Fällen sogar für unverschämt. Sollten Sie selber einmal in der Position des einstellenden Leiters sein, rate ich Ihnen dringend, diese Frage nicht zu stellen. Dafür gibt es auch einen guten Grund. Hinter dieser Frage steht nichts anderes als die Aufforderung, der Bewerber solle doch bitteschön selber gleich auch die Argumente mit aufführen, die gegen seine Einstellung sprechen. Ein solches Verlangen ist in jeglicher Hinsicht unredlich, da es impliziert, der andere möge sich – zum Vorteil des Leiters – selber schaden. Nicht umsonst hat man selbst vor Gericht als Angeklagter das Recht, sich nicht selber belasten zu müssen. Entsprechend schwer wiegt mein moralischer Vorwurf an Manager, die solche Fragen stellen.

An mehreren Stellen auf meiner Website weise ich Sie ausdrücklich darauf hin, dass nicht nur Sie sich beim Unternehmen bewerben, sondern sich auch das Unternehmen bei Ihnen bewirbt. Der gesamte Prozess des Kennenlernens, Verhandelns und Entscheidens sollte deshalb von beiden Seiten auf Augenhöhe geführt werden. Gute Arbeitgeber achten selbstverständlich darauf und nur für diese sollten Sie später arbeiten! Bei Managern, die zu bloßstellenden Fragen an den Bewerber neigen, ist dies in der Regel nicht gegeben. Hier sieht sich anscheinend der Leiter in einer Position, die über der des Bewerbers steht und ihm erweiterte Rechte einräumt. Man stelle sich nur einmal vor, als Bewerber am Ende der eigenen Antwort den Spieß herumzudrehen und den Leiter mit derselben Frage zu konfrontieren. Und damit nicht genug, da auch kein Unternehmen perfekt sein kann, könnte man auch gleich noch nach dessen aktuellen Schwächen fragen. Ich vermute, die meisten Leiter wären in dieser Situation vollkommen überfordert, würden sich in ihrem Ego verletzt sehen und einen solch aufmüpfigen Kandidaten danach wohl kaum noch einstellen.

Ein erstes Fazit – und eine Relativierung

Mit diesem Wissen sollten Sie sich also danach unbedingt die Frage stellen, ob Ihr Gesprächspartner wirklich ein passender späterer Chef für Sie sein würde, oder ob nicht von Anfang an einiges dagegenspricht. Erst Recht gilt dies, wenn alles darauf hindeutet, dass die gesamte Unternehmenskultur in diesem Geiste ausgerichtet ist.

Damit meine Warnung aber von Ihnen nicht falsch verstanden wird, möchte ich sie gleich wieder etwas relativieren.

Zum einen meine ich mit meiner Kritik keinesfalls Fragen, die auf die faire Bewertung Ihrer fachlichen und sozialen Kompetenzen abzielen. Diese zu ermitteln, ist sehr wohl Aufgabe eines einstellenden Leiters. Das könnte beispielsweise im Falle der Frage sein, wie fit Sie im Umgang mit unterschiedlichen Programmiersprachen sind. Oder was Sie bei einem weniger erfolgreichen Marketing-Projekt in ihrem Werdegang im Nachhinein anders machen würden. In beiden Fällen lässt die Fragestellung zu, dass man als Bewerber seine Stärken präsentieren kann und sich bei der Beantwortung nicht bloßstellen muss. Wie so oft macht also auch bei diesem Thema der Ton die Musik.

Es gibt auch noch einen zweiten Grund, bei der Bewertung der Frage zu Ihren persönlichen Schwächen im Einzelfall Milde walten zu lassen. Diese Frage bzw. die richtige Art, sie zu beantworten, wird oft genug diskutiert, um praktisch jedem Leiter als typische Einstellungsfrage bekannt zu sein. Nicht jeder Manager reflektiert jedoch groß darüber und so ist es gut möglich, dass eine solche übernommene Frage nur der Ausdruck von Neugier ist, wie der Kandidat sie wohl parieren wird. In diesem Fall misst der Fragesteller weder der Frage noch der Antwort eine allzu große Bedeutung bei. Auch Leiter sind nur Menschen und Einstellungsgespräche zu führen ist für den Leiter genauso schwierig wie für den Bewerber. Eine etwas unglücklich formulierte Frage muss deshalb nicht gleich heißen, dass der Manager den nötigen Respekt für sein Gegenüber vermissen lässt. In einem solchen Fall wäre eine entsprechende Unterstellung tragisch. In der konkreten Situation empfiehlt es sich daher, die Frage erst einmal professionell und gelassen zu beantworten. Die Bewertung können Sie dann zusammen mit allen anderen Faktoren im Nachhinein in aller Ruhe vornehmen.

Vorsicht mit typischen Tipps zur Beantwortung

Selbstverständlich ist der richtige Umgang mit einer solchen Frage schon oft diskutiert worden. Der mir bekannte häufigste Tipp lautet dabei, dass man in seiner Antwort einfach eine Eigenschaft als Schwäche verkaufen solle, die im Sinne der zu besetzenden Stelle tatsächlich eine Stärke darstellt. Dazu ein Beispiel:

»Ich glaube, dass ich manchmal zu ungeduldig bin und einen zu hohen Anspruch an meine Leistung habe.«

Man beantwortet hier die Frage nach den persönlichen Schwächen durch die Erwähnung fehlender Geduld, tatsächlich möchte man damit aber eine Stärke, nämlich die der hohen Motivation vermitteln. Das mag auf den ersten Blick wie eine raffinierte Lösung des Problems aussehen, leider hat diese Herangehensweise aber diverse Haken.

Erstens ist dieser Tipp auch den einstellenden Leitern gut bekannt, so dass diese etwas in dieser Hinsicht bereits erwarten werden. Damit ist die Gefahr groß, dass Ihr Gegenüber für diesen Fall noch eine bohrende Nachfrage parat hat, auf die Sie dann aber nicht mehr vorbereitet sind.

Doch auch wenn das zweitens nicht der Fall sein sollte, ist eine derart platte Antwort so durchsichtig, dass sie zurecht als ein Ausweichen verstanden werden kann. Schnell entsteht so der Eindruck, dass sie etwas zu verbergen haben, und der zählt natürlich nicht zu Ihren Gunsten.

Drittens kann es im Einzelfall auch noch ein ganz anderes Problem geben. Gerade wenn Sie Ihre Antwort etwas geschickter als in meinem Beispiel formuliert haben, besteht die Gefahr, dass man Ihre als Schwäche getarnte Stärke tatsächlich doch eben als echte Schwäche versteht. Im Sinne des oben genannten Beispiels könnte das die Befürchtung sein, der Bewerber sei krankhaft auf den schnellen Aufstieg fokussiert und würde deshalb schnell zu einem Problem innerhalb seiner Arbeitsgruppe werden.

Ein solcher Tipp schießt also über das Ziel hinaus und sollte von Ihnen lieber nicht befolgt werden. Aber auch das Gegenteil, einfach etwas vollkommen Belangloses als Schwäche zu erwähnen, ist keine gute Idee. Ein Beispiel hierfür wäre:

»Ach wissen Sie, beim Einparken gebe ich mir manchmal keine große Mühe und stelle den Wagen etwas schief hin.«

Auch hier gilt: eine solche Antwort wird sofort als Ausweichen interpretiert, das die bereits erwähnten Konsequenzen zur Folge haben kann. Ein bisschen intelligenter muss also der erfolgreiche Umgang mit dieser problematischen Frage schon sein.

Eine professionelle und gelassene Antwort

Wie immer empfehle ich Ihnen auch in diesem Fall nicht zu lügen. Im Gegenzug kann plumpe Ehrlichkeit allerdings Ihre Chancen auf den Erhalt der Stelle erheblich senken. Wählen Sie deshalb einen persönlichen Sachverhalt aus, den man unter anderen Umständen schon als eine Schwäche ansehen könnte, der in Bezug auf die zu besetzende Stelle aber vollkommen irrelevant ist. Das wären einige Beispiele dafür:

Bewerbung auf eine Stelle als Bankberater: »Also eine totale Schwäche von mir ist, dass ich bei handwerklichen Dingen so ungeschickt bin.«
Bewerbung auf eine einfache Bürostelle in einer kleinen Handwerksfirma: »Also meine Freunde sagen immer, ich sollte mich doch mehr um irgendeinen beruflichen Aufstieg bemühen. Aber irgendwie konnte ich mich nie mit der Idee anfreunden.«
Bewerbung auf eine Stelle zur Betreuung Obdachloser: »Ja, da gibt es schon etwas, das ich selbstkritisch erwähnen muss. Alle scheinen heutzutage fit mit MS Excel usw. zu sein. Aber ich war bis jetzt nie interessiert, mir so etwas anzueignen.«

Eine solche ehrliche Aussage wird Ihnen geglaubt, ohne dass sie eine negative Auswirkung auf Ihrer Bewerbungschancen hat. Gut ist es aber, wenn Sie an dieser Stelle selber das Boot gleich wieder in das richtige Fahrwasser steuern und darüber reden, warum Sie die perfekte Besetzung für die offene Stelle sind. Überleiten können Sie das bei den drei genannten Beispielen wie folgt:

Bankberater: »Also eine totale Schwäche von mir ist, dass ich bei handwerklichen Dingen so ungeschickt bin. … Und genau deshalb helfe ich meinen Mitmenschen lieber mit einer Eigenheimfinanzierung, als mit der Maurerkelle in der Hand.«
Büroangestellter: »Also meine Freunde sagen immer, ich sollte mich doch mehr um irgendeinen beruflichen Aufstieg bemühen. Aber irgendwie konnte ich mich nie mit der Idee anfreunden. … Doch am Ende sage ich mir, wenn es mir Spaß macht, dem Meister die ganze Büroarbeit abzunehmen, warum brauche ich dann noch die große Karriere?«
Sozialarbeiter: »Ja, da gibt es schon etwas, das ich selbstkritisch erwähnen muss. Alle scheinen heutzutage fit mit MS Excel usw. zu sein. Aber ich war bis jetzt nie interessiert, mir so etwas anzueignen. … Nur ist mir eben die Hilfe von Menschen in Not wichtiger, gerade wenn diese im Einzelfall viel Fingerspitzengefühl erfordert.«

Sollte es im Extremfall vom einstellenden Leiter dann doch noch eine bohrende Nachfrage geben, ob man denn nicht auch Schwächen benennen könne, die für die Ausübung der neuen Tätigkeit relevant sein könnten, dann empfiehlt sich darauf eine kurze, klare und selbstbewusste Antwort. In diesem Fall sagen Sie, dass Sie sich für die Bewerbung auf diese konkrete Stelle deshalb sofort entschieden haben, weil diese perfekt zu Ihren Interessen und Stärken passt und Ihnen bei der Ausübung dieser Tätigkeit glücklicherweise eben keine Ihrer Schwächen hinderlich sein werden. Darüber hinaus gilt das eingangs Gesagte.

Audio-Version

Die Aufnahme steht auch zum Download und auf Spotify bereit.